Wer nicht vom (alten) Weg abkommt, bleibt auf der Strecke!
Wie kommt es, dass die einen schnell den Mut verlieren, während sich die anderen nicht unterkriegen lassen? Warum denken die einen beim schönen Spaziergang angesichts des dunkler werdenden Himmels schon an den nächsten Regen, während die anderen den Sonnenschein genießen?
Der entscheidende Unterschied liegt nicht in der Anzahl der erlebten Krisen und Niederlagen, sondern in deren Bewertung. Welche Erklärungen geben Sie sich, wenn Sie Misserfolge erleben? Haben Sie einfach «Pech gehabt», oder war das wieder typisch für Sie als «Pechvogel»? Davon werden auch Ihre Erwartungen über den Ausgang zukünftiger Situationen geprägt. Pessimisten gehen eher von einem schlechten Ausgang ihrer Zukunft aus, während Optimisten eher glauben, dass ihre Zukunft erfolgreich und positiv sein wird.
Selbsttest:
Schreiben Sie spontan einige für Sie typische Eigenschaften auf:
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Markieren Sie davon zwei Eigenschaften, die Sie als besonders kennzeichnend für sich einschätzen.
Wo liegen Sie in Bezug auf diese zwei Eigenschaften verglichen mit der Allgemeinbevölkerung?
Ich bin darin
- schlechter als der Durchschnitt
- durchschnittlich
- besser als der Durchschnitt.
Doch wer hat nun Recht?
Werfen Sie einen Blick auf Ihren Selbsttest: Haben Sie sehr viel mehr positive Eigenschaften als negative notiert? Sind es positive Eigenschaften, die Sie als besonders kennzeichnend für sich einschätzen? Halten Sie sich in den für Sie wichtigen Merkmalen für besser als der Durchschnitt?
Wenn ja, dann geht es Ihnen wie vielen anderen. Die meisten Menschen sehen sich als besser als der Durchschnitt an, was logisch unmöglich ist. Sie haben eine unrealistische, positiv verzerrte Sicht der eigenen Person, die jedoch für ein gutes Selbstwertgefühl wichtig zu sein scheint. Die Selbsteinschätzung der Pessimisten hingegen erweist sich als realistischer.
Welche Auswirkungen hat das?
In einer wissenschaftlichen Studie schätzten 224 Erwachsene über einen Zeitraum von drei Jahren jährlich ihren Optimismus und Pessimismus ein. Alle hatten in ihrem Leben bereits erheblichen Stress erlebt. Zusätzlich wurden negative Lebensereignisse, Depressionen, Stress, Ängste und andere Probleme erfragt.
Was stellte man fest?
1) Menschen können optimistisch und pessimistisch zugleich sein, indem sie in verschiedenen Lebensbereichen aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen sowohl positive als auch negative Konsequenzen erwarten. Dies ist mit zunehmendem Lebensalter häufiger der Fall.
2) Ein höherer Grad an Pessimismus war im Verlauf des kommenden Jahres mit häufigeren Ängsten, mit Stress und einem Mangel an körperlicher Gesundheit verbunden. Ein höherer Grad an Optimismus ließ in dieser Untersuchung keine Aussagen über künftige Entwicklungen zu. Für unsere Gesundheit ist es demnach sehr entscheidend, Pessimismus abzubauen.
Woher kommt diese Haltung?
In der Kindheit lernen wir den Umgang mit Ängsten. Dabei ist eine enge Bezugsperson wichtig, die uns bei intensiven Angstgefühlen unterstützt und anhand ihrer Reaktion zeigt, was wirklich gefährlich ist, wie man darauf reagieren sollte und was nicht bedrohlich ist. Diese Erfahrung der Geborgenheit ist wesentlich, um im späteren Leben weniger Ängste zu haben und zuversichtlicher zu leben.
Ist sie veränderbar?
Diese ängstliche Selbstbezogenheit können wir beeinflussen, indem wir bewusst Dinge erleben und tun, die uns ein Erfolgsgefühl vermitteln, beispielsweise einen Beruf ausüben, der uns Freude macht, den eigenen Garten pflegen oder ein Musikinstrument erlernen. Vor allem die Freude, Gutes zu tun, wirkt sich positiv auf die körperliche und psychische Gesundheit aus. Vertrauensvolle Beziehungen im Erwachsenenalter ermöglichen die nachträgliche Erfahrung von Geborgenheit. Insbesondere eine spirituelle Lebensausrichtung im Vertrauen auf einen fürsorgenden, liebevollen Gott kann den Umgang mit unkontrollierbaren Ängsten verändern.
Was brauche ich dazu?
Pessimismus beschreibt eine Lebenseinstellung, an deren Veränderung wir aktiv arbeiten können. Dazu sind Ausdauer und Training nötig. Wenn Sie jetzt denken: «Hab ich`s doch gewusst! Das ist immer dasselbe. Das schaffe ich nie!», machen Sie sich bewusst, dass sich genau dieser Pessimismus meldet, den Sie überwinden wollen. Kennen Sie vielleicht jemanden, der Sie in diesem Veränderungsprozess unterstützen könnte?
Wie sieht das praktisch aus?
Verändern Sie Ihren Umgang mit Misserfolg:
Anstatt bei Niederlagen auf das zu schauen, was nicht in Ihrer Macht liegt, suchen Sie dort nach Ursachen, wo Sie selbst irgendeinen Einfluss haben, damit Sie in Zukunft etwas daran ändern können. Wo liegen Ihre Fähigkeiten und Stärken? Wo haben Sie diese schon erfolgreich in der Vergangenheit eingesetzt? Denken Sie mehr an das, was Sie können, als an das, was Sie nicht können, statt «Ich kann das nicht» – «Ich probiere das, ich gebe mir eine Chance.» Stellen Sie sich vor, wie es sein wird, wenn Sie durchhalten und Ihr Ziel erreichen. Dadurch werden Hoffnung und Vorfreude geweckt.
Achten Sie auf Ihre Worte:
Wie reden Sie? Wie oft gebrauchen Sie Worte wie «Ich muss» oder «Ich muss noch schnell …»? Wie wirkt sich das auf Sie aus? Spüren Sie den Druck? Schon kleine sprachliche Veränderungen können die Art der Lebensführung beeinflussen. Probieren Sie es stattdessen mit «Ich will» oder «Ich werde …».
Ähnlich ist es mit «eigentlich», «würde, hätte, könnte» oder «man sollte». Spüren Sie die Unsicherheit? Streichen Sie diese Wörter und nutzen Sie «Ich möchte/Ich nehme mir vor».
Beschäftigen Sie sich mehr mit dem, was Sie nicht wollen, als mit dem, was Sie wollen? Sind Ihre Ziele Vermeidungsziele, die auch ein Toter erreichen könnte? «Ich will nicht ärgerlich werden. Ich will nicht zu spät kommen …». Sie können stattdessen sagen: «Ich will ruhig bleiben. Ich will rechtzeitig da sein …»
Was geben Sie weiter? Versuchen Sie doch, auf die Nachfrage, wie es Ihnen geht, positiv zu antworten: «Danke, gut.» Denn eine Beschäftigung mit den eigenen Beschwerden verschlechtert Ihr Wohlbefinden und belastet auch Ihr Gegenüber.
Achten Sie im Umgang mit anderen auf die Inhalte Ihrer Gespräche. Geht es nur um Unerfreuliches und Probleme, fragen Sie bewusst nach Erfreulichem und Positivem.
Gewöhnen Sie es sich an, Erfreuliches kurz aufzuschreiben, auch wenn es nur die typischen drei Dinge vor dem Schlafengehen sind. Vielleicht möchten Sie sich eine Dankesbox einrichten, in die Sie all die kleinen Zettel werfen, wo Sie flüchtig etwas Erfreuliches – mit dem Datum versehen – notiert haben. Es lohnt sich, diese Dankesbox zu besonderen Anlässen oder in entmutigenden Situationen zu öffnen und durchzulesen. Sie werden merken: Über Gutes nachzudenken verbessert die Stimmungslage, und dies führt wiederum zu mehr Kreativität und Produktivität.
Achten Sie auf Ihre Gedanken:
Da Gedanken die Auslöser für unsere Gefühle und Taten, also letztlich unser Verhalten sind, ist es enorm wichtig, was wir in der jeweiligen Situation denken. Fragen Sie sich 1. Entspricht der Gedanke den Tatsachen? und 2. Hilft mir der Gedanke, mich so zu fühlen und zu verhalten, wie ich möchte? Wenn nein, ist es ein pessimistischer Gedanke. Finde ich einen anderen Gedanken, der näher an der Realität liegt? Wie würde das eine Person sehen, die gut mit den Herausforderungen des Lebens umgehen kann? Notieren Sie sich diese hilfreicheren Gedanken. Üben Sie diese realistischeren Gedanken in der Vorstellung, indem Sie sich einfach hinsetzen, sich die Lage, in der Sie weniger pessimistisch sein möchten, vorstellen und sich dabei Ihre hilfreichen Gedanken vorsagen. Das erleichtert die Umsetzung im Alltag!
Verhalten Sie sich so, wie Sie möchten:
Nachdem Sie hilfreichere Gedanken gefunden haben, ist es wichtig, dass Sie sich diesen Gedanken entsprechend verhalten. Werden Sie aktiv, auch wenn Sie sich unsicher und ängstlich fühlen. Beim Handeln werden Sie erleben, dass sich Ihre Gedanken bewahrheiten. Dadurch werden Sie in Ihrer neuen Überzeugung bestärkt. Und je öfter Sie sich so verhalten, umso leichter wird es Ihnen im Laufe der Zeit fallen – bis sich eine Gewohnheit entwickelt.
Nutzen Sie Ihre Wahlmöglichkeit:
Auch wenn wir uns in herausfordernden Situationen befinden und äußerlich von anderen Menschen und Umständen abhängig sind, bleibt uns dennoch eine Freiheit: Innerlich bewusst unsere Einstellung zu wählen. Viktor Frankl hat das einmal so formuliert: «Wir, die wir im Konzentrationslager lebten, erinnern uns an Menschen, die anderen geholfen haben, die ihr letztes Stück Brot mit anderen teilten. Wenn es auch nicht viele waren, so sind diese wenigen Menschen doch der Beweis dafür, dass man einem Menschen alles nehmen kann bis auf eines, nämlich die letzte aller menschlichen Freiheiten, die Freiheit, in jeder Situation seine Einstellung zu wählen.»
Was motiviert Menschen, dies zu tun?
Es ist das Empfinden, Teil eines größeren Ganzen zu sein, mit einer Aufgabe im Leben, getragen von einer Liebe, die gibt, anstatt zu nehmen. Menschen machen diese Erfahrung auf ganz unterschiedlichen Wegen – einige empfinden dies angesichts der Schönheit der Natur, andere verspüren es, wenn sie auf das Wunder eines neu geborenen Babys schauen, wieder andere erleben es in einer freundlichen Alltagsbegegnung oder in einer intensiven Krisensituation. Geben Sie in solchen Momenten Ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck und verbinden Sie sich dadurch mit der Quelle der Liebe. Die Bibel nennt diese Quelle Gott.
Dörthe Meisel
Dipl. Psychologin
Leben & Gesundheit Ausgabe 4/2017