Lebenselixier Wasser

Unser Blauer Planet – aus den Weiten des Alls betrachtet – zeichnet farblich eine wesentliche Grundlage des Lebens ab: Wasser – H2O! Die medizinische Bedeutung dieses einzigartigen Gutes soll im Folgenden beleuchtet werden.

Ohne Wasser kein Leben!

Zu 70 % ist unsere Erdoberfläche vom Wasser bedeckt, etwa 96 % davon sind Salzwasser. Auf die Nutzung des vergleichsweise minimalen Süßwasservorrats sind nicht nur 7 Milliarden Menschen angewiesen, sondern auch Tiere und Pflanzen. Für eine Vielfalt alltäglicher Vorgänge, von der Morgentoilette bis hin zu komplexen industriellen Herstellungsverfahren, ist Wasser unabdingbar. Noch wichtiger als die äußere Anwendung ist seine Bedeutung für die vielfältigen Funktionen des menschlichen Körpersohne Wasser kein Leben!

Ausfuhr versus Einfuhr – ein sensibles Gleichgewicht

Man stelle sich das Wasser wie einen unverzichtbaren Nährstoff vor, der in unterschiedlichster Form täglich in den Körper aufgenommen wird, ob pur, in Brei oder in festen Speisen gebunden – fast überall ist es enthalten. In welcher Form auch immer aufgenommen, trägt es letztlich dazu bei, den unausweichlichen Wasserverlust wieder auszugleichen. Denn wir verlieren es ständig! Es wird nicht nur über den Urin und Stuhlgang ausgeschieden, sondern kann in beträchtlichen Mengen über die Haut und selbst beim Atmen verdunsten. All diese Verluste müssen ersetzt werden. Deckt die Wasseraufnahme nicht den Verlust, kann es rasch zu Dehydratation (Austrocknung) kommen. Verstärkt wird der Effekt bei warmen Temperaturen, während eines anstrengenden körperlichen Trainings, in großen Höhen und bei älteren Menschen, deren Durstempfinden weniger ausgeprägt ist.

Ein einmaliger Regelkreis

Der Körper besteht zu 60- 70 % aus Wasser, das Gehirn sogar zu 70-80 %. Wichtige Funktionen der Körperflüssigkeiten sind die Kreislauffunktion, die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, die Speichelproduktion und die Verdauung sowie die Aufnahme und der Transport von Nährstoffen. Im Hintergrund arbeitet ein komplexer Regelkreis, der stets den «Wasserpegel» im Körper misst und nötigenfalls ausgleicht: Durch den hinteren Teil der Hypophyse, einer wichtigen Hormondrüse im Gehirn, kommuniziert der Körper mit den Nieren und signalisiert, wie viel Wasser im Urin ausgeschieden werden soll oder aber als Reserve einbehalten werden muss. Zu wenig Flüssigkeit im Körper aktiviert via Gehirn den körperinternen Durstmechanismus. Wenn man nicht gerade Medikamente einnimmt, die – wie etwa beim Herzkranken – dafür sorgen, Wasser auszuscheiden, ist es ratsam, den Durstsignalen des Körpers zu folgen und Flüssigkeit in jeglicher Form aufzunehmen. In jeder Form? Naja, insbesondere Alkohol kommt als «Flüssigkeit» nicht in Frage, weil dieser eher das Gegenteil bewirkt, indem er Einfluss auf die Gehirn-/Nierenregelkreise nimmt und einen Wasserverlust sogar begünstigt. Dehydratation kann die Folge sein.

  1. Der Hypothalamus und bestimmte Spezialzellen im Gehirn, Halsschlagader und Herz messen ununterbrochen den Eindickungsgrad des Blutes, das Blutvolumen und den Blutdruck im Körper.
  2. Entsprechend dem aktuellen Wasserstand produziert der Hypothalamus gleich viel, mehr oder weniger Vasopressin Hormon, u.a. für den Wasserhaushalt) und leitet dieses an den Hypophysenhinterlappen weiter, welcher es dann ins Blut ausschüttet.
  3. Vasopressin verbreitet sich mit dem Blut im gesamten Körper, macht Adern enger und signalisiert zugleich den Nieren entsprechend seiner Menge, mehr oder weniger Flüssigkeit mit dem Urin auszuscheiden.
  4. Entsprechend der Konzentration an Vasopressin im Blut passen die Nieren die Flüssigkeitsausscheidung dem Urin an, sodass der Eindickungsgrad des Blutes, das Blutvolumen und der Blutdruck im Körper normal.

Wesentliche Gründe für einen ausreichenden Wasserkonsum

Wasser hilft Gehirn und Muskeln

Ein ausgeglichener Wasserhaushalt ist Voraussetzung für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Zellen, die nicht mehr das Flüssigkeits- und Elektrolytgleichgewicht halten können, schrumpfen. Es kommt zu Ermüdungserscheinungen. Da das Gehirn zum größten Teil aus Wasser besteht, wird seine Leistungsfähigkeit bei Flüssigkeitsmangel eingeschränkt. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme sowie Nervosität treten auf. Besonders schlimm können diese Symptome bei Senioren sein. Sie trinken auch bei milden Temperaturen oft zu wenig. Kommt dann noch zusätzlicher Flüssigkeitsentzug durch Hitze hinzu, kann es sogar zu echten Verwirrtheits-zuständen kommen. Bei jungen Leuten in Schule oder Studium belegen verschiedene Studien den Zusammenhang einer ausreichenden Hydrierung (Wasserversorgung des Körpers) und des Lernerfolges – siehe z. B. unter http://www.trinken-im-unterricht.de/. Auch bei Muskelbetätigung ist es wichtig, vor und während des Trainings entsprechend Flüssigkeit aufzunehmen. Gemäß den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollte etwa 2 Stunden vor dem Sport ein halber Liter Wasser getrunken werden – hingegen kann diese Menge – unmittelbar vor der Betätigung getrunken – das Training unnötig erschweren. Während des Sports sollten zeitnah und in regelmäßigen Abständen kleinere Mengen Wasser nachgetrunken werden, um den durch Schwitzen bedingten Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Als Faustregel gilt: 800 ml Wasser pro Stunde Sport trinken. Bei längerem Training oder Ausdauersport sollte alle 15 Minuten etwa ein Viertel Liter getrunken werden. Um herauszufinden, ob der Körper während des Ausdauer-sports ausreichend mit Flüssigkeit versorgt ist, hilft folgender Tipp: Sich vor und nach dem Training auf die Waage stellen. Die Differenz des Körpergewichts entspricht in etwa dem Flüssigkeitsverlust. Dieser sollte nicht über zwei Prozent des Körpergewichts liegen. Sind es mehr, hat man zu wenig getrunken. Für eine sportliche Belastungsdauer von bis zu einer Stunde ist Trinkwasser die richtige Wahl. Wer länger trainiert, sollte auch die verlorengegangenen Mineralstoffe (Kochsalz, Magnesium und andere Elektrolyte) ersetzen. Statt teurer «isotonischer Getränke» kann in den meisten Fällen auf Schorlen zurückgegriffen werden. Im richtigen Verhältnis gemischt – eins (Fruchtsaft) zu drei (Wasser) zählt auch die Apfelschorle zu den isotonischen Getränken. Diese treten besonders schnell vom Verdauungstrakt ins Blut über, gleichen den Flüssigkeitsverlust beim Sport optimal aus und liefern Energie.

>Wasser hilft bei der Schadstoff­entsorgung

Schädigende Substanzen gibt es viele. Wie im Einzelnen ihre dosisabhängigen Wirkungen auf den Körper sind und inwieweit sie durch Wassertrinken über die Nieren ausgeschieden werden, ist wissenschaftlich nicht bei jedem Stoff bis ins Detail untersucht. Tatsache ist jedoch, dass wasserlösliche Schadstoffe über den Urin ausgeschieden werden können. Die bedeutendsten dieser Substanzen sind gut untersucht, eine davon ist der Harnstoff. Er fällt bei Stoffwechselprozessen als Abfallprodukt an und kann, wenn hoch konzentriert und in Kontakt mit Bakterien, einen stechenden Geruch abgeben, da Ammoniak freigesetzt wird. Dieser Geruch mag dem Leser von Dixi-Toiletten auf Campingplätzen oder Trockentoiletten (Plumpsklos) auf Berghütten bekannt sein. Die Farbe des Urins ist ein Indikator für die Konzentration des Urins und der darin enthaltenen Stoffe: Genügend Flüssigkeitszufuhr lässt ihn hell erscheinen. Wenn ungenügend mit Wasser versorgt, werden gelbliche Färbung und Geruch zunehmen, weil die Nieren anfangen, Wasser für wichtige Körperfunktionen zurückzubehalten. Man sollte jedoch beachten, dass gewisse Farbstoffe wie Betacarotin in der Nahrung ebenfalls einen dunkleren, orangefarbenen Urin erzeugen können. Achtung: Wer stets zu wenig trinkt und sich dazu in besonders warmen Klimazonen aufhält, ist einer größeren Gefahr ausgesetzt, Nierensteine zu entwickeln.

Eine adäquate Wasseraufnahme hilft, den Kalorienverbrauch zu kontrollieren

Zumeist wird, begleitend zu einer Diät, viel Wasser getrunken. Obwohl Wasser kein Zaubermittel für den Gewichtsverlust ist, hilft es doch als Ersatz für süße, hochkalorische Getränke. Zudem kann Gemüse mit hohem Wasseranteil durch sein größeres Volumen das Sättigungsgefühl verstärken, indem mehr gekaut werden muss und die Resorption verlangsamt ist. Besonders wasserreich sind Obst und Gemüse, grüne Bohnen sowie Brei (z. B. aus Hafer).

Wasser hält die Haut stramm

Die Haut enthält viel Wasser – sie fungiert als Schutz vor übermäßigem Flüssigkeitsverlust. Jedoch sollte klar sein, dass man trotz noch so hoher Wasseraufnahme Falten nicht völlig beseitigen kann. Dehydrierung lässt die Haut trockener und dadurch auch faltiger erscheinen, ein Zuviel an Wasser wird jedoch von den Nieren ausgeschieden. Eine Feuchtigkeitscreme kann in einigen Fällen den glättenden Effekt weiter verbessern.

Wasser und das Herz

Groß angelegte Studien belegen, dass eine angemessene Wasseraufnahme das Herz schützen kann. Demnach kann eine unzureichende Wasseraufnahme zu Dehydratation führen, was eine erhöhte Blutviskosität (dickeres Blut) zur Folge hat. Alle genannten Faktoren stehen mit erhöhtem Herzinfarktrisiko im Zusammenhang. An 8’280 Männern und 12’017 Frauen konnte im 6-jährigen Untersuchungszeitraum gezeigt werden, dass Personen, die 5 oder mehr Gläser Wasser pro Tag tranken, weniger als die Hälfte Herzinfarkte erlitten im Vergleich zu jenen, die zwei oder weniger Gläser Wasser pro Tag tranken (Am. J. Epidemiol. 2002. doi: 10.1093/aje/155.9.827). Diese Resultate zeigten sich sogar nach der Bereinigung der Daten im Hinblick auf die wichtigen und bekannten Risikofaktoren wie Alter, Rauchen, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Ernährung und Bildungsstatus. Andere Getränke (Kaffee, Softdrinks …) erzielten in dieser Studie nicht den gleichen Nutzen. Tatsächlich zeigte sich für jene, die andere Flüssigkeiten tranken, sogar ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zu jenen, die reines Wasser zu sich nahmen.

Wasser hilft bei der Regulation von Darmfunktion und Verdauungsvorgängen

Eine gute Hydrierung hilft, den Umlauf des Magen-Darmtraktes zu regulieren, und beugt Obstipation (Verstopfung) vor. Eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme führt dazu, dass der Dickdarm dem Stuhl Flüssigkeit entzieht, was Verstopfung zur Folge haben kann. Ausreichend Flüssigkeit und Faserstoffe sind eine ideale Kombination, die wie ein Besen hilft, den Darm durchzuputzen.

4 Tipps, die dabei helfen, mehr zu trinken

Wenn man den Eindruck gewinnt, dass man mehr trinken sollte, können folgende Punkte helfen, die Vorteile des Wassers zu erfahren:

  1. Statt den Hunger zwischendurch mit einem Snack zu stillen, greife man zur Wasserflasche oder allenfalls zu einer Saftschorle.
  2. Iss mehr Obst und Gemüse – diese haben einen hohen Wasseranteil und werden dadurch die Hydrierung des Körpers unterstützen. Vergessen wir nicht, dass feste Nahrung etwa 20 % unserer Flüssigkeitsaufnahme ausmacht!
  3. Trage die Wasserflasche stets bei dir – im Auto, am Schreibtisch, in der Tasche oder im Rucksack.
  4. Lerne neu, den Geschmack «bloßen» Wassers zu schätzen. Wer Softdrinks gewohnt ist, braucht ein paar Wochen starken Willen, dann schmeckt auch normales Wasser wieder viel besser.

Dr. med. Andreas Binus

Assistenzarzt Innere Medizin

Leben & Gesundheit Ausgabe 3/2014