Umwelt bewahren – (m)ein Tropfen auf den heissen Stein

Das Thema Umwelt/Ökologie ist unglaublich komplex, und unser Einfluss alsEinzelperson scheinbar sehr gering. Sind wir also gegen die drohende Zerstörung unserer Umwelt machtlos?

Das Verhältnis unserer Gesellschaft zum Umweltschutz ist ein gespaltenes: Einerseits sind wir uns der Problematik immer mehr bewusst. In einer Umfrage des deutschen Umweltbundesamtes von 2012 zählten 35 % der Deutschen verschiedene Aspekte des Umwelt und Klimaschutzes zu den zwei größten Problemen der Gegenwart. Das ist ein Anstieg von satten 15 % gegenüber 2010. Andererseits frönen wir einem Lebensstil, der auf den Konsum von immer mehr Rohstoffen aufbaut. Das «Global Footprint Network» hat errechnet, dass der Verbrauch an natürlichen Ressourcen in allen westeuropäischen Ländern weniger als halb so groß sein müsste, um nachhaltig zu sein. Was steckt eigentlich dahinter, dass der Unterschied zwischen Umweltbewusstsein und Um- weltverhalten derart groß ist? Und was ist überhaupt eine umweltverträgliche Lebensweise?

Die Lehre vom guten Haushalten

Der biologische Begriff Ökologie ist aus den griechischen Wörtern oikos (= Haus, Haushalt) und logos (= Lehre) zusammengesetzt, könnte also als die «Lehre der Haushalte» bezeichnet werden. Nur geht es natürlich nicht um unsere Privathaushalte, sondern um dasStudium von Tier- und Pflanzenarten in Bezug auf ihren Lebensraum oder ihr Ökosystem. Seit dem 20. Jahrhundert wird derBegriff Ökologie auch als Synonym für Umweltschutz verwendet, gewissermaßen die «Lehre vom guten Haushalten». Der Haushalt ist in diesem Fall die Erde als gigantisches Ökosystem, und die verantwortlichen «Haushalter» sind wir Menschen.

Wenn wir aber an die sich immer weiter ausbreitende Wüste, an aussterbende Tier- und Pflanzenarten und schmelzende Polkappen denken, müssen wir zugeben: Unsere eigenen Haus-halte mögen wir im Griff haben, das Ökosystem Erde aber nicht. Gründe dafür gibt es verschiedene: Erstens gibt es vieles, was wir gar nicht beeinflussen können, wie z. B. die Sonnenaktivität, das Auftreten von Erdbeben oder Ausbrüche von Vulkanen.

Zweitens sind die Zusammenhänge zwischen unseren Handlungen und deren Folgen für die Umwelt viel weniger direkt und zum Teil stark zeitverzögert. Ein Beispiel: Wenn ich über meine finanziellen Verhältnisse lebe, gerate ich bald in eine Schuldenspirale, und dann droht der Privatkonkurs. Ich habe also einen starken und unmittelbaren Anreiz, mit meinen eigenen, persönlichen Mitteln sorgsam und haushälterisch umzugehen. Demgegenüber steht z. B. das Aussterben der Pinta-Riesenschildkröte («Lonesome George»). Das Verschwinden dieser Tierart ist das Endergebnis von Handlungen unzähliger Menschen in mehreren Jahrhunderten, sowie von weiterennicht-menschlichen Einflüssen.

Die «Tragik der Allmende»

Ein dritter Grund, warum wir unseren globalen Haushaltnicht im Griff haben, ist die Tatsache, dass wir diesen eben nicht alleine bewerkstelligen, sondern zusammen mit etwa 7.4 Milliarden Menschen, die zur- zeit auf der Erde leben und ihren Teil der Verantwortung mittragen. Der britische Ökonom William Forster Lloyd hat diese Problematik im Jahr 1833 unter dem Titel «Tragik der Allmende» modellhaft beschrieben. Als Allmende werden seit dem frühen Mittelalter Landflächen bezeichnet, die nicht in Privatbesitz sind, sondern allen Bauern eines Dorfes gemeinsam zur Verfügung stehen. Für solche Flächen gibt es meist Nutzungsbestimmungen, die von der Bauerngemeinschaft aufgestellt werden und deren Einhaltung kontrolliert wird. Was aber, wenn niemand kontrolliert? In diesem Fall wird es laut dem Modell von Lloyd immer einige «schlaue» Bauern geben, die mehr Vieh auf der Allmende grasen lassen, als ihnen zugeteilt ist. Das erscheint aus der Sicht des Einzelnen sogar durchaus rational. Als Folge davon wird aber die Allmende wegen Übernutzung bald unbrauchbar sein, was für die ganze Gemeinschaft nachteilig ist – letztlich auch für die «Bauernschlauen» unter ihnen. Das Beispiel der Allmende mag von unserer heutigen Lebenswelt weit weg sein, doch ist es im kleinen Rahmen eine gute Veranschaulichung dessen, was heute im globalen Rahmen mit Fischbeständen, Bodenschätzen und Lebensräumen passiert. Schaden und Nutzen sind dabei sehr ungleich verteilt: Während wir westlichen «schlauen Bauern» wohl noch einige Zeit von der Ausbeutung der Rohstoffe unseres Planeten «profitieren» können, werden am anderen Ende der Wohlstandsskala immer mehr Menschen in ihrer Existenz bedroht. (Denken wir nur einmal an die vielen Kleinbauern in Südamerika, die von ihren Grundstücken vertrieben werden, damit Soja für die Tiermast hergestellt werden kann.)

Eigenverantwortung heißt das Losungswort!

Ob der Wille unserer politischen Entscheidungsträger, an der Situation etwas zu ändern, vorhanden ist, darf bezweifelt werden. Allzu oft geht die Forderung nach mehr Umweltschutz im ewigen, Mantra-artig wiederholten und un hinterfragten Ruf nach Wirtschaftswachstum unter. Auch auf internationaler Ebene entsteht immer wieder viel Wirbel rund um internationale Konferenzen wie jene in Kyoto vor 19 Jahren oder jene in Paris letztes Jahr. Doch zu mehr als ein paar Absichtserklärungen hat es bislang nie gereicht. Wenn aber die Umweltprobleme politisch nicht in den Griff zu kriegen sind, bleibt nichts anderes übrig, als selber umzudenken und vor allem anders zu handeln. Schon der Schweizer Nationaldichter Jeremias Gotthelf wusste: «Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland». Verstecken Sie sich nicht hinter der beliebten Ausrede: «Die anderen machen ja auch nichts». Denn für die allermeisten Menschen gehören Sie zu den «anderen». Seien Sie stattdessen ein Vorbild! In der Folge sind einige Vorschläge für einen umweltverträglicheren Lebensstil zusammengestellt. Überlegen Sie sich, welche davon in Ihrer jetzigen Lebenslage anwendbar sind, und versuchen Sie, diese umzusetzen.

Konsum:

  • Kaufen Sie lokale und saisonale Lebensmittel ein. Peruanische Spargeln im März und israelische Frühkartoffeln im April stehen nur darum in den Regalen unserer Großverteiler, weil sie auch gekauft werden.
  • Kaufen Sie nur so viel, wie Sie auch essen.
  • Reduzieren Sie den Konsum tierischer Produkte wie z. B. Fleisch, Milch und Eier (auch Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken!). Die Produktion der Futtermittel und deren Verarbeitung verschlingen Mengenan Wasser, Boden und fossilenBrennstoffen, und die Methangase, die von Rindern ausgestoßen werden, tragen wesentlich zur Klimaerwärmung bei.
  • Ihrer Gesundheit und der Umwelt zuliebe: Halten Sie auch Maß beim Konsum vonKaffee und alkoholischen Getränken. (Der Getränkekonsum macht 18 % der ernährungsbedingten Umweltbelastungen aus. Gründe dafür sind der hohe Energieaufwand bei der Verarbeitung, der große Flächenbedarf und der hohe Spritzmitteleinsatz).
  • Non-food: Kaufen Sie langlebige, reparierbare, energieeffiziente Produkte statt Billigware, die nach kurzer Zeit auf der Müllhalde landet. Schauen Sie sich auf Online-Tauschbörsen um, wenn Sie eine Anschaffung planen.
  • Achten Sie auch beim Kleiderkauf auf Qualität und Herkunft der Ware. Auf www.bio-fair.ch findet man eine Liste mit Labels, die für Kleider aus ökologischer und fairer Produktion garantieren.
  • Kaufen Sie auch in Second Hand Shops ein und geben Sie dort Ihre nicht mehr gebrauchten Stücke ab.

Mobilität:

  • Das Flugzeug ist zwar schnell, aber Züge und Autobusse sind viel energieeffizienter. Reisen Sie also in Ihren nächsten Urlaub auf dem Landweg. Noch besser: Bleiben Sie zu Hause und entdecken Sie den Wald nebenan!
  • Achtung Denkfalle: «DasFlugzeug fliegt ja auch ohnemich!» – Das Angebot an Flugverbindungen wird weitestgehend durch die Nachfrage bestimmt. Und diese bestimmen Sie mit Ihren Entscheidungen mit.
  • Ziehen Sie in die Nähe Ihres Arbeitsplatzes oder suchen Sie sich eine Arbeitsstelle in Ihrer Nähe. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Zeit, die Sie für schlauere Dinge nützen können, als im Stau oder in überfüllten Pendlerzügen zu stehen.
  • Sie haben ein eigenes Auto? Überprüfen Sie, ob Car-Sharing für Sie eine Alternative sein könnte.
  • Beziehen Sie beim Neukauf eines Motorfahrzeugs auch den Benzinverbrauch in Ihre Überlegungen mit ein. Benötigen Sie wirklich einen Zivil-Panzer, oder tut’s auch ein sparsameres Modell?

Wohnen:

  • Isolieren Sie Ihr Haus. Rollläden helfen mit, die Wärme im Winter drinnen und im Sommer draußen zu halten.
  • Lüften Sie Ihre Wohnung mehrmals pro Tag, dafür nur kurz und mit Durchzug statt bloß mit schräggestellten Fenstern.
  • Überheizen Sie Ihre Wohnung nicht. 20 oder 21 Grad und allenfalls ein Pulli genügen. Für einen erholsamen Schlaf wird in den Schlafräumen eine Temperatur zwischen 16 und 19 Grad empfohlen.

…und was springt für mich dabei heraus?

Ein umweltverträglicher Lebensstil ist auf den ersten Blick mit viel Verzicht verbunden. Doch wer sich erst einmal darauf einlässt, sein persönliches Glück nicht in Euros und Franken zu messen und seinen Wert nicht in Besitztümern und Statussymbolen zu suchen, kann diesen Verzicht auch als eine Befreiung erleben. Der Oldenburger Volkswirtschafter Niko Paech thematisiert das in

seinem Buch «Befreiung vomÜberfluss». Er schreibt: «Derzeit verzetteln wir uns in einerreizüberfluteten Konsumsphäre,die unsere knappste Ressource aufzehrt, nämlich die Zeit. Durch den Abwurf von Wohlstandsballast hätten wir die Chance, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt im Hamsterrad derkäuflichen Selbstverwirklichungzusehends Schwindelanfälle zu erleiden. Wenige Dinge intensiver zu nutzen und zu diesem Zweck bestimmte Optionen ein- fach souverän zu ignorieren, bedeutet weniger Stress und damit mehr Glück.»

Nehmen Sie also die Herausforderung an und erleben Sie, wie Schritte hin zu einem umweltverträglichen Lebensstil eine Bereicherung für Ihr Leben sein können. Viel Glück!

Dr. Lukas Gerber

Mathematiker, Aktuar

Leben und Gesundheit 4/2016