Wenn die ruhe ausbleibt- Entspannung für Seele und Geist
Ärger in der Arbeit, Streit mit den Nachbarn, lange Anfahrtswege zur Arbeit, Stress mit dem Partner oder den Kindern, zu Hause hängt der Haussegen schief, abends nicht einschlafen können, depressive Grundstimmung und ängstliche Grundhaltung, Unausgeglichenheit, Nervosität, Gereiztheit und innere Unruhe. Diese Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen, und es gibt noch etliche andere Schwierigkeiten im Leben, denen man nicht gewachsen zu sein scheint. Wer da einen kühlen Kopf bewahren kann, muss fast schon magische Fähigkeiten besitzen, denkt sich vielleicht mancher.
Es fehlen Bewältigungsstrategien. Denn wie ist es möglich, trotz aller Schwierigkeiten gut weiterzuleben? Wie kann man zu innerer Ruhe, zu Frieden und Ausgeglichenheit zurückfinden?
Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen, mit Körper, Seele und Geist. Daher ist es auch wichtig, in allen drei Bereichen zur Ruhe zu kommen und positive Veränderungen herbeizuführen. Denn schlussendlich sind Entspannung und Ruhe Zustände, in denen man sich wohlfühlt. Es ist ein Wohlbefinden, indem sich Körper, Geist und Seele in Harmonie befinden. Im Folgenden möchte ich einige praktische Tipps zur Entspannung der letzten zwei «Bereiche» – Seele und Geist – übermitteln.
Wohltuendes für Seele und Geist
- Negative Gedanken stoppen:
Oftmals belasten wir uns mit negativen Gedanken, die uns hinunterziehen und stressen. Diese Gedanken kommen «automatisch» auf, und viele sind der Meinung, man sei ihnen schlichtweg ausgeliefert. Doch wenn man von Zeit zu Zeit auf seine Gedanken achtet, wird einem bewusst, dass sie die Basis unserer Gefühle sind. Wenn jemand z. B. andauernd denkt, dass das Leben negativ und schlecht sei, wird er irgendwann auch das Gefühl haben, dass das so ist. Interessant ist aber, dass man seine Gedanken auch verändern kann. Somit verändert sich nämlich auch die Sicht auf das Leben und auf bestimmte Lebenslagen. Was wir denken, hat Auswirkungen darauf, wie wir uns fühlen, wie wir handeln und wer wir sind.
Menschen mit einer Angsterkrankung können in ganz normalen Situationen über ihre Gedanken eine Gefahr hineininterpretieren, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Zudem denken die Betroffenen, dass sie der Lage nicht gewachsen sind und in der Gefahr untergehen könnten. Manches wird also negativer betrachtet, als es eigentlich ist. Die Folgen davon sind dann ebenso negativ wie das Denken selbst. Die Betroffenen fühlen sich schlecht, haben Angst, vermeiden bestimmte Situationen oder nehmen sogar Alkohol, Beruhigungsmittel oder Drogen zu sich.
Auch Menschen, die unter Depressionen leiden, fällt es schwer, sich auf etwas Gutes zu konzentrieren. Ihre Sicht auf sich selbst, die Welt und die Zukunft ist negativ geprägt, was sie innerlich nicht zur Ruhe kommen lässt.
Um unsere ungünstigen Gedanken zu beenden, ist es hilfreich, sich gedanklich ein Stoppschild auszumalen und laut und deutlich STOP zu rufen. Zusätzlich kann man sich dabei noch in den Arm kneifen. Dadurch sind unsere Gedanken erstmals unterbrochen. Anschließend sollte man sich bewusst anderen Dingen und positiven Gedanken widmen.
Nützlich kann es auch sein, sich zu Hause einen «Grübelort» auszuwählen. Nur an diesem Ort ist es erlaubt zu grübeln. Sobald sich also ungünstige Gedanken aufdrängen, muss man diesen Ort aufsuchen. Die anderen Zonen des Hauses sind für diese Gedanken tabu. Man sollte dabei die «Grübelzeit» täglich einschränken. Also darf der Ort am Tag nur 10 bis 15 Minuten lang aufgesucht werden.
- Gezielt Freude suchen und Freude ausdrücken:
Singen, musizieren, lachen und tanzen befreien von schweren und belastenden Gedanken.
- Selbstachtung entwickeln und sich selbst mögen:
Es geht darum, sich selbst wertzuschätzen. Selbstachtung verleiht Selbstvertrauen und innere Stärke. Man wird dadurch emotional stabiler. Vor allem geht man sorgsamer mit sich selber um. Hierbei sind förderliche Gedanken:
– Ich sorge gut für mich
– Ich bin es mir wert
– Ich bin gut zu mir
– Ich darf andere enttäuschen
– Ich muss es nicht allen recht machen
– Mich muss nicht jeder mögen
– Schwächen sind menschlich
– Niemand ist perfekt
– Ich darf entspannen
– Ich darf es mir leicht machen
– Ich darf loslassen
– Ich darf auch depressiv sein
- Dankbarkeit ausdrücken:
Manchmal sieht man die positiven Dinge nicht richtig, weil der Blick stets auf das Negative gerichtet ist. Dabei gibt es bestimmt während eines jeden Tages zahlreiche Dinge, für die man dankbar sein kann. Dies können auch nur Kleinigkeiten sein wie z. B., dass jemand einen bei der Kasse vorlässt. Oder man bekommt unverhofft ein Lächeln geschenkt, oder ein Nachbar schaut auf einen Sprung bei uns vorbei. Dankbarkeit ist DER Schlüssel zu mehr Zufriedenheit! Dankbare Menschen gehen bewusster durchs Leben. Sie machen das Beste aus dem, was das Leben ihnen beschert.
- Um Hilfe bitten und vor allem Hilfe annehmen lernen:
Niemand kann immer nur stark oder völlig unabhängig sein. Es kommen immer wieder Zeiten in unserem Leben, in denen wir Hilfe brauchen und allein nicht weiterkommen. Wer um Hilfe bittet, zeigt Mut und Stärke. Hilfe anzunehmen ist klug, notwendig, entlastet uns und stärkt soziale Beziehungen.
- Achtsamkeitsübungen:
Im Leben kommt es nicht so sehr darauf an, was wir tun, sondern vor allem, wie wir es tun. Wenn wir Dinge achtsam (bewusst) tun, steigern wir die Qualität unseres Lebens. Es geht darum, im Hier und Jetzt zu leben, also dem Moment mehr Aufmerksamkeit zu schenken, das Leben mit allen Sinnen wahrzunehmen, es zu genießen und auch zu entschleunigen.
- Vergebung:
Sie ist der Schlüssel zu einem zufriedenen Leben. Sie schenkt inneren Frieden und befreit uns von Groll und Bitterkeit, die uns sonst innerlich auffressen und nicht zur Ruhe kommen lassen. Dabei geht es nicht nur darum, anderen zu vergeben, sondern auch sich selbst.
- Lernen, NEIN, zu sagen:
Wenn wir mehr Ruhe und Entspannung suchen, ist es wichtig, auch regelmäßig NEIN zu sagen. Wir sind nicht für alles und jeden verantwortlich. Natürlich geht es nicht darum, in jeder Situation und zu allem Nein zu sagen, sondern seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse ebenso wichtig zu nehmen wie die der anderen. Wer Nein sagen kann, sagt ja zu sich selbst.
- Oasen im Alltag schaffen:
Beim Planen und Organisieren des Alltags ist es sehr wichtig, sich bewusst Oasen im Alltag zu schaffen und diese gezielt einzuplanen. Erholungsphasen gehören täglich dazu und sollten ohne schlechtes Gewissen genossen werden. Nur so gelingt es, zu entspannen, Ruhe zu finden und Kraft zu tanken.
- Den Tag planen und strukturieren:
Um gut über den Tag zu kommen, ist es hilfreich, sich einen Tagesplan zu machen. Dort werden sowohl Aktivitäten und Aufgaben eingetragen als auch Zeiten der Entspannung und Ruhe. Denn diese gehören ebenso dazu wie unsere geschäftlichen oder privaten Angelegenheiten. Man plant also auch den Spaziergang im Park oder die Zeit zum Lesen eines guten Buches bewusst ein und behandelt sie wie feststehende Termine. Folgendes ist bei der Planung noch zu beachten:
- Möglichst nie mehr als 60 % der Arbeitszeit verplanen. Der Rest ist für Unvorhergesehenes freizuhalten.
- Keine kleineren Einheiten als 30 Minuten eintragen.
- Pro Tag für 1 bis 2 Stunden für niemanden ansprechbar sein und diese Zeit einhalten.
- Perfektion braucht Zeit und überhöhter Perfektionismus erzeugt zusätzlichen enormen Druck. Daher wäre es angebracht, auch das Vernachlässigen zu üben.
- Etwa 2 Stunden vor dem Schlafengehen sollte man das Tagesprogramm beendet haben.
Vor allem Menschen mit Depressionen profitieren von einer zuvor festgelegten Tagesstruktur, die man am besten in einem Stundenplan festhält.
Ein strukturierter Tagesablauf kann nämlich Menschen mit Depressionen helfen, morgens aus dem Bett oder auf andere Gedanken zu kommen. Dabei sollen kleine Aufgaben gesetzt werden, anfangs nicht zu viele auf einmal. Die Beschäftigungen sollten der Belastbarkeit angepasst werden. Dabei sollten sich Pflichten und Vergnügen abwechseln. Gerne kann man sich auch täglich einen Höhepunkt setzen. Man könnte sich z. B. vornehmen, um 9 Uhr aufzustehen und zu frühstücken, gegen Mittag einem Hobby nachzugehen und zu kochen, nachmittags einen Spaziergang zu machen und sich abends mit einer Freundin oder einem Freund zu treffen. Auch wenn es die ersten Tage nicht gelingen sollte, darf man nicht zu streng mit sich selbst sein. Dann probiert man es am nächsten Tag eben nochmals und so weiter … Vor allem sollte man Rückschläge nicht überbewerten, sie gehören zum Leben dazu.
- Verwendung von ätherischen Ölen:
Ätherische Öle können unser Wohlbefinden beeinflussen und entspannend und stressmindernd wirken. Sie können aber auch ganz konkret Angstgefühle reduzieren und bei depressiven Menschen die Stimmung aufhellen. Lavendel-, Rosmarin-, Orangen- oder Rosenölsind dafür beispielhaft.
- Und zu guter Letzt:
Vielleicht wäre es wichtig, zu einer ganz neuen Betrachtungsweise zu gelangen, die davon ausgeht, dass es Stress gibt und schwächere bis mittelstarke Depressionen einfach zu unserem Leben gehören. So wie auch Freude, Wut, Trauer und Glück. Sie kommen und gehen im Leben. Schwankungen gehören zu unserem Leben. Richten wir uns darauf ein!
Wenn es gelingt, sich darauf zu fokussieren, wie die Hindernisse umschifft werden können, ohne Schiffbruch zu erleiden, ist schon viel gewonnen.
Gutes Gelingen im Ruhe finden!
Tanja Sghaier
Lehrerin, therapeutisch beratende Seelsorgerin (BTS) und Psychodramatikerin
Leben & Gesundheit Ausgabe 1/2019