Ernährungsbedingte Krankheiten-warum falsches Essen krank macht

Jeder braucht es und die meisten Menschen tun es überaus gerne: Essen! Doch wie kann es sein, dass das, was wir essen, entscheidend dazu beiträgt, wie gesund oder krank wir sind?

Wie gesund wir sind, hängt entscheidend von unserem Lebensstil ab. Die Ernährung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Viele Krankheiten können durch falsche Ernährungsgewohnheiten entstehen und den Körper sogar langfristig schädigen. Wissenschaftler vermuten, dass mehr als zwei Drittel aller Krankheiten in Westeuropa und den USA durch einen ungesunden Lebensstil insbesondere durch eine falsche Ernährungsweise entstehen. Damit ein Auto richtig funktioniert, braucht es neben Treibstoff auch Öl und regelmässige Wartungen, um beständig eine gute Leistung erbringen zu können. Ebenso unser Körper: Er braucht bestimmte Nährstoffe, um reibungslos arbeiten zu können. Einige der Stoffe kann der Körper selbst herstellen, andere müssen ihm regelmässig zugeführt werden. Bestimmte Substanzen wie Vitamine, Spurenelemente, aber auch die Energielieferanten Eiweiss, Kohlenhydrate und Fette sind lebenswichtig. Fehlen dem Körper einige dieser wichtigen Bausteine über längere Zeit, kommt es zu Fehlfunktionen: Dazu gehören spezifische Erkrankungen, aber auch unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Muskelschwäche, Sehstörungen oder Krämpfe.

Woran fehlt es bei der Mangelernährung?

Oft denkt man beim Begriff Mangelernährung an ein «zu wenig» an Nahrung. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich kann man an schwerer Mangelernährung leiden, obwohl man täglich weit mehr als die benötigten Kalorien zu sich nimmt, weil ein Mangel an einzelnen wichtigen Nährstoffen besteht. Im Gegensatz zu einer solch einseitigen Ernährung steht heute einem Grossteil der Weltbevölkerung täglich nicht genügend Nahrung zur Verfügung, um den Minimalbedarf zu decken – es kommt zur Unterernährung.

Klassische Mangelernährung

Die klassischen Mangelernährungskrankheiten wie Skorbut (Vitamin-C-Mangel), Beriberi (Vitamin-B1-Mangel) oder Rachitis (Vitamin D bzw. Kalzium- Mangel) kommen in unseren Breiten nur noch selten vor. Am Beispiel Skorbut lässt sich jedoch eindrücklich aufzeigen, wie folgenschwer schon der Ausfall eines einzigen Vitamines sein kann. Die meisten Menschen kennen Skorbut aus diversen Seefahrer- und Piratengeschichten, obgleich bereits der bekannte griechische Arzt Hippokrates darüber berichtet hat. Bis ins 18. Jahrhundert war Skorbut die häufigste Todesursache auf ausgedehnten Seereisen. Im Jahr 1747 untersuchte der englische Schiffsarzt James Lind diese Krankheit mit Hochdruck. Er nahm zwölf Seeleute, die an Skorbut litten, und teilte sie in sechs Gruppen zu je zwei Personen ein. Jeder Gruppe gab er zusätzlich zu den üblichen Nahrungsrationen einen weiteren Nahrungsmittelzusatz – nämlich: Obstwein, Schwefelsäure, Essig, Gewürze und Kräuter, Seewasser sowie Orangen und Zitronen. Er stellte fest, dass die Gruppe, welche die Zitrusfrüchte erhielt, eine rasche Besserung zeigte. In den restlichen Gruppen beobachtete er verstärkt die bekannten Symptome wie Zahnfleischbluten, Zahnausfall, Blutungen in der Haut und in der Bauchhöhle, gestörte Wundheilung und eine merkliche Anfälligkeit für weitere Krankheiten. Auf der Suche nach einer haltbaren Vitamin-C-Quelle entdeckten die englischen Ärzte schliesslich das Sauerkraut. Dieses wurde den Seeleuten auf grösseren Reisen zum Erhalt ihrer Gesundheit in grossen Fässern mitgegeben. Ein hoher Vitamin-CGehalt findet sich auch in Peperoni, verschiedenen Kohlsorten sowie Zitrusfrüchten in reifem Zustand unmittelbar nach der Ernte (s. Tabelle auf Seite 19).

Zu viel des Guten?

Bei der modernen Form der Fehlernährung denkt man zumeist an die typische «westliche Ernährungsweise» – sie hat jedoch längst auch Einzug in alle Grossstädte der restlichen Welt gefunden: die Aufnahme einer grossen Menge nährstoffarmer, jedoch energiereicher (hochkalorischer) Nahrung, also ein übermässig hoher Fett- und Kohlenhydratanteil. Bei gleichzeitig geringer körperlicher Betätigung oder Muskelarbeit speichert der Körper die überschüssig aufgenommene Energie in Form von Fettreserven. Es kommt zu Fettleibigkeit. Ist der Körperhaushalt erst einmal aus dem Gleichgewicht geraten, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine ganze Reihe von Erkrankungen, den sogenannten Lebensstilkrankheiten. Im Folgenden werden beispielhaft einige wichtige aufgegriffen:

Diabetes mellitus- die Zuckerkrankheit im Alter?

Hauptmerkmal des Diabetes ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie), der mit einem Risiko für schwere Begleit- und Folgeerkrankungen verbunden ist. Das Bauchspeicheldrüsen- Hormon Insulin reguliert den Blutzucker, indem es bewirkt, dass der Zucker vom Blut in die bedürftigen Zellen transportiert wird. Es fungiert als Schlüssel, der das Schloss der Zelle öffnet, sodass der Zucker hineintransportiert und verwendet werden kann. Während beim Typ I Diabetes der Körper zumeist kein Insulin herstellen kann und somit auf eine externe Zufuhr angewiesen ist, ist beim Typ II Diabetes mellitus primär die ungenügende Wirksamkeit des Insulins das Problem. Die zugrunde liegenden Mechanismen einer ungenügenden Insulinwirkung sind komplex. Fakt ist jedoch: Mit jedem Kilo mehr auf der Waage wächst das Risiko, zuckerkrank zu werden. Da das Gewicht der Menschen besonders in den Wohlstandsländern ständig zunimmt, wächst die Zahl der Diabetiker ungebremst weiter. Über sieben Millionen Menschen leben aktuell allein in Deutschland mit dieser Diagnose – 80 bis 90 Prozent von ihnen sind übergewichtig! Eigentlich wäre der Volkskrankheit der Moderne leicht Herr zu werden: Schon vier Kilo abzunehmen bei täglich ausreichender körperlicher Bewegung senkt das Diabetes-Risiko um 50 Prozent. Manchmal pendelt sich allein durch Gewichtsreduktion der Blutzucker wieder ein, manchmal erreicht er so zumindest ein Niveau, das Ärzte besser medikamentös behandeln können. Sprach man bis vor einigen Jahren noch vom Alters- oder Erwachsenendiabetes, so sind heute auch vermehrt junge Leute betroffen. Dieses Phänomen steht in klarem Zusammenhang mit der zunehmenden Kinderund Jugendfettleibigkeit. Typ-II-Diabetiker profitieren deutlicher von gesunder Ernährung, von Gewichtsverlust und Sport – zum Teil so sehr, dass sie wieder ohne Medikamente auskommen können.

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems

Unter dem Oberbegriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden Erkrankungen des Herzens und Erkrankungen der Blutgefässe zusammengefasst. Herz- und Kreislauferkrankungen stellen in der Altersgruppe ab 40 Jahren die häufigste Todesursache dar. Das Spektrum der Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist breit, doch die wichtigsten Vertreter sind der Bluthochdruck und Verkalkungen der Gefässe sowie die koronare Herz-Erkrankung, eine Verkalkung derherzversorgenden Kranzgefässe. Betroffen sein können darüber hinaus jedoch alle Arterien des Körpers mit entsprechend vielen möglichen Folgeschäden. Man spricht von Arteriosklerose. Risikofaktoren für Erkrankungen des Herzens und der Blutgefässe sind auf der einen Seite nicht beeinflussbar, wie Alter, Geschlecht und genetische Vorbelastung. Auf der anderen Seite sind sie beeinflussbar – wie Stress, Rauchen, Alkohol, Übergewicht und eine ungesunde Ernährung. Eine fettreiche Ernährung insbesondere tierischen Ursprungs gilt als ungesund. Eine dauerhaft falsche Ernährungsweise führt mit zunehmendem Alter häufig zu erhöhten Blutfettwerten (Cholesterinspiegel, Triglyzeride). Sowohl vorbeugend als auch zur Verbesserung der Symptomatik wird eine Verminderung der Fettzufuhr, besonders der gesättigten Fettsäuren, Transfette sowie des Cholesterins in der Nahrung empfohlen. Daher sind pflanzliche Lebensmittel zu bevorzugen. Diese sind reich an Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen. Übergewichtigen mit erhöhten Blutfettwerten wird dringend eine Gewichtsabnahme angeraten. Abhilfe schafft neben gesunder Kost viel Bewegung. Die Forschungsergebnisse sind beinahe überwältigend: 74 % aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 82 % aller koronaren Herzerkrankungen können durch eine gesunde Lebensführung vermieden werden (Stampfer; NEJM; 2000;343:16-22). Was wir nicht vergessen sollten: Was dem Herzen schadet, schadet meist auch dem Gehirn. Eine Fehlernährung ist auch eine Ursache von Gehirnschlägen, Demenzerkrankungen und sogar psychischen Erkrankungen.

Krebsleiden

Krebs beginnt als eine einzige abnormale Zelle, die sich irgendwann unkontrolliert vermehrt. Dieser sich rasch ausbreitende Zellverband kann sich diffus im Körper verteilen (wie beispielsweise bei einem Blutkrebs) oder rasch einen soliden Tumor bilden, ein wucherndes Zellkonglomerat, das in das noch gesunde Gewebe vordringt. Krebserregende Stoffe aus Chemikalien, Zigarettenrauch, Umweltgiften und ungesunden Nahrungsmitteln sowie der Einfluss mancher Strahlung können die Entstehung von Tumoren beschleunigen. Andere Stoffe aber, sogenannte «Hemmer», können die Tumorzellen am Wachstum hindern. Einige Vitamine und sogenannte Phytochemikalien in pflanzlichen Nahrungsmitteln können als solche Hemmer agieren. Mit gesunder Ernährung kann man daher das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen senken. Manche Tumorarten wie´Brust-, Gebärmutter-, Darm- und Nierenkrebs werden nach Angaben der Deutschen Krebshilfe in Bonn durch Übergewicht begünstigt. Neuere Erkenntnisse in der Ernährungsforschung zeigen, dass sich nicht nur Übergewicht, sondern eine Reihe von Stoffen in der Ernährung auf die Krebsentstehung auswirken. Viele natürliche Nährstoffe, wie wir sie in frischem Obst, in Gemüse und im Salat finden, haben das Potenzial, Krebszellen zu beseitigen oder aber den Körper so zu stärken, dass er selbst mit den entarteten Zellen bereits im Frühstadium fertig wird. Eine Grundregel bei der Nahrungsauswahl sollte daher sein: so natürlich wie möglich. Es klingt simpel, doch unsere heutige Gesellschaft konsumiert nur noch sehr wenig frische Lebensmittel. Fertig- und Halbfertigprodukte sind im wahrsten Sinne des Wortes «unser täglich Brot».

Fazit

Bei der Entstehung sowie im Verlauf der meisten chronischen Erkrankungen spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Übergewicht? Ein ernst zu nehmender Risikofaktor! Wer abnimmt, profitiert vielfach. Ist das Idealgewicht erreicht, gilt es dies durch die Beibehaltung eines ausgewogenen Lebensstils zu halten. Beim Einkauf hilft die Vorstellung, die Lebensmittel mit einem imaginären Schild zu versehen: «gesundheitsfördernd » – «krankmachend». Man fange mit einem einzigen solchen Schild an. Lernt man Neues, lassen sich diese Schilder beim Schlendern durch die Gänge des Supermarktes erweitern oder abändern. Dies kann eine große Hilfe sein, um gute Entscheidungen bei der Nahrungswahl zu treffen und gleich praktisch umzusetzen. Es gilt immer: so ausgewogen und zugleich einfach und natürlich wie möglich!

Dr. med. Andreas Binus

Assistenzarzt Innere Medizin

Leben & Gesundheit Ausgabe 1/2014