Die Bedeutung des Optimismus für unsere Gesundheit

Optimismus – wenn alles zum Besten dient

Bist du ein Optimist? Ein wunderschöner Rosenstrauch in einem blühenden Garten. Wenn du ihn betrachtest, würdest du eher die Blüten oder die Dornen sehen? Wenn du nun dein eigenes Leben betrachtest, was dann? Es ist tatsächlich eine Herausforderung, eher die Blüten als die Dornen im Leben zu sehen. Mancher sieht nur die Blüten und verleugnet die Dornen, mancher sieht nur die Dornen und verleugnet die Blüten. Ein echter Optimist sieht beides, aber verweilt bei den Blüten. Bist du ein Optimist?

Die Grundlage des Optimismus

Was ist die Grundlage des Optimismus? Wie kommt es, dass verschiedene Menschen einen wunderschönen Rosenstrauch betrachten und ihn völlig unterschiedlich beschreiben? Tatsächlich haben sich inzwischen wissenschaftliche Anhaltspunkte bezüglich dessen ergeben, was exakt im Körper dazu beiträgt, aus einem Menschen einen Optimisten zu machen.

Körperrhytmen und Optimismus

Eine bahnbrechende Entdeckung der Optimismusforschung war die Erkenntnis, dass unsere innere Körperuhr unseren Gesundheitsstatus direkt beeinflusst. José Miguel Antunez und seine Kollegen haben in mehreren Studien den Einfluss des Schlaf-Wachrhythmus auf Emotionale Intelligenz, Optimismus und Widerstandsfähigkeit untersucht (Antunez et al. (2013 und 2015)). Laut ihren Ergebnissen manifestierten Morgenmenschen die höchsten Werte an Optimismus und Widerstandsfähigkeit, wohingegen Abendmenschen in dieser Hinsicht die niedrigsten Werte verzeichneten. Will man also maximal optimistisch und belastbar leben, sollte man ein Morgenmensch sein: Früh schlafen gehen und früh aufstehen. Obwohl es noch weiterer Studien bedarf, scheinen Abendmenschen nicht einfach nur weniger optimistisch und weniger belastbar zu sein, sondern sind auch einem erhöhten Krankheitsrisiko in Hinblick auf die Entwicklung psychologischer Probleme und Störungen ausgesetzt. Morgenmuffeln fehlt es also nicht nur an Lichtblicken für den Tag, sondern auch an einem Schutzfaktor vor Trübsinn und Krankheit.

Körperbiochemie und Optimismus

Eine weitere bahnbrechende Erkenntnis der Optimismusforschung war die teilweise Enthüllung seiner biochemischen Grundlage. Es ist beeindruckend zu sehen, dass biochemische Gesetzmäßigkeiten nicht einfach nur die vegetativ-physiologischen Vorgänge des menschlichen Körpers wie Herzschlag, Atmung und Verdauung steuern, sondern sogar neurophysiologische Strukturen und Vorgänge verändern können wie Gedächtnis, Lernen und eben auch – Optimismus. Eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des Optimismus scheint der Botenstoff Dopamin einzunehmen, wie Tali Sharot und seine Kollegen in ihren Studien (Sharot et al. (2007, 2012)) beweisen konnten. Dopamin ist entscheidend an unseren Lernvorgängen beteiligt, indem es in unsere Informationsverarbeitung, unser Gedächtnis und unsere Grunderwartung eingreift. Dopamin scheint uns dahingehend zu beeinflussen, dass die Aufnahme negativer Informationen im Aktualisierungsprozess unserer Erwartungshaltung für die Zukunft beeinträchtigt wird und somit die positiven Informationen überwiegen. Hierdurch wird eine unverhältnismäßige optimistische Grundhaltung verursacht.

Das Gehirn und der Optimismus

Eine der vielleicht spannendsten Erklärungen des Optimismus entstammt der Hirnforschung. David Hecht konnte in seinen Studien über die neurale Grundlage von Optimismus und Pessimismus darlegen, dass diese auf unterschiedliche Weise mit den beiden Gehirnhälften assoziiert zu sein scheinen (Hecht (2010 und 2013)). Ein hohes Selbstbewusstsein, eine fröhliche Grundhaltung, die das Positive in einer gegebenen Situation sieht, sowie ein optimistischer Glaube an eine glückliche Zukunft gehen mit physiologischer Aktivität der linken Gehirnhälfte einher. Ein niedriges Selbstbewusstsein hingegen, eine düstere Grundhaltung, die das Negative in einer gegebenen Situation hervorhebt und dessen Bedeutung übertrieben darstellt, sowie ein pessimistischer Glaube an die Zukunft entsprechen der physiologischen Aktivität in der rechten Gehirnhälfte. Die Ursache hierfür liegt in einer unterschiedlichen Aufgabenteilung und dem Wechselspiel der Gehirnhälften. Die linke Gehirnhälfte ist für das physiologische Äquilibrium (Gleichgewicht) verantwortlich, wodurch Gelassenheit, Optimismus und die Bereitschaft, aktiv den Herausforderungen zu begegnen, erst ermöglicht werden – sie ist auch die dominantere Gehirnhälfte, da sie von Kindheit an mehr senso-motorische Rückmeldungen erhält und mehr in Interaktion mit der Umwelt steht. Die rechte Gehirnhälfte hingegen ist das Alarmsystem des Körpers, indem sie Angst, Furcht und Stress vermittelt. Sie wirkt mehr inhibitorisch (hemmend), indem sie Schwierigkeiten anstatt der Möglichkeiten wahrnimmt und zu mehr passivem Verhalten beiträgt. Ihre Hyperaktivität scheint sogar mit Depressionen in Verbindung zu stehen.

Der Effekt des Optimismus

Optimismus und Wissenschaft

Hat Optimismus überhaupt einen Effekt auf unser Leben? Wenn es einen solchen gibt, wie äußert er sich? Ist er wesentlich? Macht es einen Unterschied, ob ich optimistisch bin oder nicht? Entgegen der logisch einleuchtenden Vermutung, dass er der Gesundheit dient, galt dieser Effekt in der Wissenschaftswelt lange als nicht gesichert. Dies hatte verschiedene Ursachen. Erstens mangelte es an einer erschöpfenden Definition des Optimismus. Zweitens war das Kräfteverhältnis von Optimismus und Pessimismus unklar. Drittens lag es an einer unklaren Studienlage – manche Studien deuteten auf einen positiven, manche auf keinerlei, manche sogar auf einen negativen Effekt hin.

Es ist der Meta-Analyse von Heather N. Rasmussen und ihren Kollegen zu verdanken (Rasmussen et al. (2009)), dass inzwischen eine wissenschaftliche Klärung besteht. Sie haben 84 verschiedene wissenschaftliche Studien über die gesundheitliche Wirkung des Optimismus analysiert und ausgewertet. Dabei konnten sie nachweisen, dass Optimismus einen signifikanten Indikator für das physische Wohlbefinden darstellt. Dieser Effekt ist unabhängig davon, welcher medizinische Einzelparameter untersucht worden ist. Er ist somit allgemein wirksam, unabhängig von demographischen Merkmalen (z. B. Alter, Geschlecht, Nationalität), vom Gesundheitszustand und vom untersuchten Organsystem.

Obwohl noch nicht letztgültig geklärt, scheinen Optimismus und Pessimismus unabhängig voneinander zu sein. Mit anderen Worten: Optimismus ist auch in Menschen mit negativer Stimmungslage wirksam, wobei sein Vorhandensein einen schwächeren Effekt zu haben scheint als der Wegfall des Pessimismus. Optimismus ist also nicht einfach nur ein theoretisches Konstrukt, sondern hat auch praktische Folgen. Der Optimismus wirkt sich direkt auf unser Leben aus, indem er Gesundheit, Gemüt und Entscheidungen eines Individuums prägt. Er wirkt besonders dann gesundheitsdienlich, wenn es sich um Optimismus ohne Pessimismus und «Unrealismus» handelt. (Rasmussen et al. (2009)), (Weinstein (1980, 2005)).

Optimismus und mentale Gesundheit

Optimismus und mentale Gesundheit

Psychologisch gesehen verursacht Optimismus hauptsächlich ein besseres subjektives Wohlbefinden. Optimisten kennzeichnet eine bessere Anpassung an ihre Umgebung, ein stärkerer sozialer Halt, eine stärkere Hoffnung, eine geringere Häufigkeit an Depressionen und nicht zuletzt Kampfgeist. Besonders in Stresssituationen wird die unterschiedliche Stressbewältigung von Optimisten und Pessimisten deutlich. Optimisten verfolgen eine Begegnungs-Strategie. Wenn sie mit Problemen konfrontiert sind, arbeiten sie stark problemlösend, klagen sich selbst weniger an, denken weniger unheilvoll und verleugnen seltener. Pessimisten hingegen verfolgen eine Vermeidungs-Strategie. Wenn sie Problemen gegenüberstehen, arbeiten sie problemvermeidend, sie machen sich mehr Selbstvorwürfe, denken häufig unheilvoll und verleugnen häufiger (Forgeard, Seligman (2012), p. 111–112).

Optimismus und physische Gesundheit

Vegetativ gesehen verursacht Optimismus hauptsächlich ein besseres physisches Wohlbefinden mit weniger exzessiven Körperbeschwerden. Bei Optimisten laufen Krankheitsprozesse langsamer ab (z. B. Atherosklerose und AIDS), andererseits verläuft ihr Erholungsprozess nach Operationen schneller (z. B. nach Bypass- OPs). Dies scheint teilweise an abgeschwächten Entzündungsprozessen im Körpergewebe zu liegen. Optimisten weisen allgemein eine niedrigere Sterblichkeitsrate auf, besonders was die in der Gesellschaft weitverbreiteten Herz-Kreislauf- (z. B. Herzinfarkt, Herzinsuffizienz) und Atemwegserkrankungen betrifft (z. B. Asthma, COPD). Optimisten verfügen über ein starkes Immunsystem, und ihre weißen Blutkörperchen scheinen sogar länger zu leben. Überdies leben Optimisten nicht nur länger und besser, sondern haben auch ein längeres Überleben bei schweren Krankheiten. (Forgeard, Seligman (2012), p. 112).

Robert Czarnitzki

studiert Medizin an der Technischen Universität München

Leben & Gesundheit Ausgabe 4/2015